Zur Geschichte der Weinbergkirche „Zum Heiligen Geist“ in Dresden-Pillnitz und zu ihrer Restaurierung
Alte und neue Schloßkirche - Pöppelmann-Bau - Rettung und Wiederaufbau seit 1990
von Dieter Fischer
1. Von der alten zur neuen Schloßkirche im Weinberg
Der erste evangelische Kirchenbau in Pillnitz wurde 1593-1596 errichtet und lag zwischen altem Schloß (wo nach dem Brand von 1818 dann das Neue Palais errichtet wurde) und jetzt noch vorhandenem "Löwenkopf". Er war eine Stiftung des Christoph von Loß, Besitzer des Rittergutes Pillnitz ab 1569. Im Laufe der Jahre bekam die Kirche eine immer reichere Ausstattung, unter Günther von Bünau 1648 den Sandsteinaltar durch den Dresdner Bildhauer Johann Georg Kretschmar.
Nach der Übernahme des Schlosses Pillnitz durch das Sächsische Kurhaus am Ende des 17. Jahrhunderts begann ab 1720 unter August dem Starken eine intensive Bautätigkeit zur Schaffung des "orientalischen" Lustschlosses in Pillnitz. Die vorhandene evangelische Schloßkirche störte bei der Neugestaltung des Geländes zwischen Wasserpalais und altem Schloß.
Bei den Auseinandersetzungen um die Erhaltung der historischen evangelisch-lutherischen Kirchenstiftung stellte schließlich August der Starke Bauplatz für eine neue Kirche im Königlichen Weinberg zur Verfügung. Er übernahm auch die Kosten für den Bau, einschließlich der Überführung der wertvollen Einbauten und der Überreste der Gräber, sowie dessen spätere Erhaltung.
1723-1725 wurde nach dem Entwurf und unter der Bauleitung von Matthäus Daniel Pöppelmann die neue Schloßkirche erbaut.
Zum Bauablauf 1723-1725
Am Trinitatis-Fest 1723, dem 23. Mai, hielt Pfarrer Rüdinger, der zu dieser Zeit als Pfarrer in Hosterwitz auch "Schloßprediger zu Pillnitz" war, die letzte Predigt in der alten Schloßkirche. Am 24. Juni 1723 war feierliche Grundsteinlegung für die neue Kirche mit Versenkung eines Kupferkästchens mit Dokumenten und Münzen unterhalb des später darauf errichteten Altars.
Anfang Juli 1723 erfolgte die Überführung der irdischen Überreste der in der alten Schloßkirche Ruhenden in die dafür errichteten Gruftgewölbe. Im Oktober wurden die Glocken auf den Turm gebracht und am Reformationstag 1723 - bei Anwesenheit August des Starken - Turmkugel und Wetterfahne aufgesetzt: "Dieser Knopf und Fahne sind bei hoher Anwesenheit Ihro Königl. Maith. aufgesezet worden.", lesen wir dazu in der 1723 verfaßten Urkunde. Orgel, Altar, Taufstein, Grabplatten wurden schließlich bis zum Herbst 1725 dorthin transportiert und angeordnet.
Zur feierlichen Weihe der Kirche am 11. November 1725 wurden in großem Zuge die Kirchengeräte (Kelche und Communion-Weinkanne, die Bibel und die Pillnitzer Kirche-Agenda) von Hosterwitz nach der reichgeschmückten neuen Schloßkirche im Weinberg gebracht und diese mit Musiken und Predigten geweiht.
Eine umfangreiche Schilderung der Einweihung finden wir in "Historie der Kirchen-Ceremonien in Sachsen", daraus geht auch hervor, daß neben dem katholischen König - der ja mit der Bereitstellung des Baulandes und als Bauherr mit der Erhaltung dieser Kirchenstiftung befaßt war -, auch die Gräfin Cosel - 1707 bis 1718 Herrin von Pillnitz - mit der Bereitstellung einer neuen Altar-Bekleidung für die alte Schloßkirche, die nun in die Weinbergkirche mit übernommen wurde, gegenwärtig war.
2. Der Pöppelmann-Bau in zweieinhalb Jahrhunderten
Die harmonische Einordnung in den Weinberg - als Ergänzung des Schlosses und seiner Gartenanlagen - gab dem schlichten, den Winzerhäusernähnelnden Kirchenbau schnell den Namen "Weinbergskirche" oder "Weinbergkirche". Auf halber Hanghöhe im Weinberg gelegen, ist auf den Kirchenraum - etwa 20 Meter breit, 8 Meter hoch und 10 Meter tief - ein einfach abgewalmtes Dach mit zentralem hölzernen Dachreiter aufgesetzt.
Der Dachreiter mit helmartiger Dachhaube und Spitze - Turmkugel und Wetterfahne tragend -, das hohe Dach mit den 3 Dachgaupen und die 4 schmalen, hochformatigen Fenster im Kirchenschiff zu beiden Seiten des Südportals mit der zweiläufigen Freitreppe prägen das Bild der Kirche beim Blick aus Südosten und Süden.
Die Fassaden wurden als Ersatz für eine kostbare Gliederung aus Sandstein - ähnlich wie zur gleichen Zeit durch Pöppelmann an Wasser- und Bergpalais - als Putzbau ausgeführt und mit einer Illusionsarchitektur aus aufgemalten Gewänden mit Schattenkanten, Verdachungen und Wandpfeilern bemalt, später aber übertüncht. Allein das Hauptportal ist mit der von Benjamin Thomae 1726-1727 geschaffenen Sandsteinüberdachung plastisch betont: eine Doppelkartusche mit dem sächsischen und dem polnischen Wappen, darüber das königliche Monogramm mit aufliegender Krone.
Ein weiterer Eingang befindet sich an der Westseite. Zum Hang hin - nach Norden - ist die Sakristei angebaut. Vom Dorf her führen die alte Fahrstraße und ein oberhalb davon verlaufender Fußweg zur Kirche hinauf.
Dem von Westen in die Kirche Eintretenden erschließt sich das Innere von einem der Seitengänge her mit dem Blick über die durchgehenden Bankreihen auf den großen, freien Altarplatz mit dem hochaufragenden Altar zwischen den Fenstern und dem Taufstein: lutherisches Bekenntnis des 17. Jahrhunderts ist mit Wucht und Klarheit gegenwärtig.
Zusammen mit Altar, dessen steinernes Mittelbild Jesus Christus versammelt mit der Jüngergemeinde zum Essen des Osterlamms zeigt, und Taufstein stammen die Kanzel und die an Nord- und Ostwand angeordneten Grabmale aus der alten Schloßkirche. Ernsthaftigkeit, Freiheit, Geborgenheit vor allem wohl strahlt die mit den Einbauten aus Loßscher und Bünauischer Zeit gestaltete einfache Dorfkirche aus.
An der dem Altar gegenüberliegenden Westseite ist unter der Flachdecke des Raumes der Orgelchor angeordnet; ursprünglich mit der aus der alten Schloßkirche überführten, dann mit der 1891 durch die Gebrüder Jehmlich eingebauten und 1997 wiederhergestellten Orgel. Darunter liegen drei Logen. Zwei Emporen füllen die ganze Südseite und die halbe Nordseite. Die ebenerdige Loge im Bereich des Altarplatzes unter der Südempore war die Hof- oder Herrschaftsloge, benutzt von evangelischen Fürstlichkeiten, die in Pillnitz beim König zu Gast waren. Die darüberliegende Loge war die der Hofbeamten. 450 bis 500 Personen finden in der Kirche Platz.
Auf den Turm brachte man 1723 die drei Glocken der alten Kirche, die kleine davon (mit der Jahreszahl 1596) ist jetzt noch vorhanden. Die Wetterfahne trägt mit Krone und "ARPo 1723" die Zeichen des Königs von Polen und die Jahreszahl ihrer Aufsetzung.
Die Grab- und Denkmale, sonstige Ausstattung
Die Grabmale an der Nordwand sind: am Kanzelaufgang das Grabmal des Valentin Pflugk, des Schwiegervaters Christoph von Loß († 1568), unter der Kanzel, der Grabstein der Frau Sophia Sibylla von Bünau geb. Loß († 1640), neben der Sakristeitür die Grabplatte des Günther von Bünau († 1659), als nächstes westlich davon der Grabstein des Freiherrn Johann Albrecht von Slawata († 1654), schließlich in der Nordwestecke der Kirche der Grabstein der im Alter von 7 Wochen († 1637) verstorbenen Anna Sophia von Bünau.
Hinter dem Altar sind angebracht: in der Mitte das Denkmal des Stifters der alten (ersten) Schloßkirche, Christoph von Loß († 1609), links (nördlich) davon seine Schwiegertochter, Frau Martha von Loß geborene von Köckeritz († 1645), rechts (südlich) davon seine andere Schwiegertochter, Ursula von Loß geborene von Schleinitz († 1632). Hinter dem Altar, über dem mittleren Grabmal, war das Bünauische Familienwappen (Totenschild) angebracht, das jetzt an der Nordwand vor den Emporen hängt.
Eigentümer der Kirche, Bauereignisse
Zur Bauzeit hatte der katholische König zugesagt, für die bauliche Erhaltung der Kirche zu sorgen. Nach 1918 wurde die Kirche Eigentum der staatlichen Domänenverwaltung, deren Finanzministerium sich 1930 mit der evangelisch-lutherische Landeskirche über die Teilung der Kosten verständigte. Nach 1945 wurde die Evang.-Lutherische Landeskirche Sachsens Eigentümer, ab 1983 mit der Stadt Dresden wieder der Staat, der die Staatlichen Kunstsammlungen als Rechtsträger einsetzte.
Seit 1993 ist der Freistaat Sachsen Eigentümer.
Größere Instandsetzungen fanden 1800, 1839, 1901 und 1932 statt. 1932 wurden Dachreiter und Ziegeldach gründlich instandgesetzt. 1954 erfolgte die letzte Innen-Renovierung vor den Arbeiten seit 1990.
Nutzung der Kirche
Während des jährlichen Sommerlagers des Königshauses in Pillnitz - in den Jahre 1765 bis 1918 - wurden die Gottesdienste des evangelischen Hofstaates in der Weinbergkirche gehalten: der Pfarrer von Hosterwitz war auch "Schloßprediger in Pillnitz". In der sonstigen Zeit, aber wohl vorwiegend im Sommerhalbjahr, wurden die Gottesdienste des evangelischen Kirchspiels Hosterwitz-Pillnitz abwechselnd in der Pfarrkirche in Hosterwitz und in der Schloßkirche in Pillnitz gehalten.
Das endete 1977, als sich die Kirchgemeinde und die evangelisch-lutherische Landeskirche nicht mehr in der Lage sahen, die Weinbergkirche baulich zu erhalten. Aus der wenig gesicherten Kirche wurden in der Folgezeit Gegenstände entfernt, die Orgel größtenteils gestohlen. Das Gebäude verfiel immer mehr. Besonders betroffen waren Dachreiter, Dach, Fenster, Regenrinnen, Außenputz sowie der Sakristei-Anbau.
3. Rettung, Wiederaufbau und Restaurierung seit 1990
Freunde der Kirche, die den Zustand endlich ändern wollten, beschlossen im April 1990 - auf Anregung von Zwingerbaumeister Ulrich Aust und des im politischen Umbruch des Herbstes 1989 gebildeten Bürgerkomitees Pillnitz - die Gründung der "Interessengemeinschaft Weinbergkirche Pillnitz e. V." und bereiteten ein Konzert vor.
Das "1. Benefizkonzert zur Rettung der Weinbergkirche" am 5. Mai 1990 fand bei strahlendem Sonnenschein statt und hatte großen Besucherzustrom: Erstmals erklangen nach vielen Jahren die Glocken wieder. Vom Weinbergweg oberhalb der Kirche wurden Hörner geblasen, vor der Kirche, am Fuße der Freitreppe, ein Flötenkonzert gegeben, in der Kirche - nach symbolischer Wieder-Öffnung - Musik vom Sächsischen Hofe des 17. und 18. Jahrhunderts gespielt. Der sich für die Rettung der Kirche engagierende Verein machte sein Vorhaben bekannt und warb dafür. Wein vom Elbhang wurde ausgeschenkt, Kuchen und Fettbemmchen angeboten.
Aus dem Frühlingskonzert wurden die von Mai bis Oktober an den ersten Sonntagen stattfindenden Benefizveranstaltungen. Kinderfeste und Kinderreiten kamen dazu, Verkauf einheimischer Gewerbetreibender und gesellige Gastronomie am alten Preßhaus unterhalb der Kirche ließ kleine Volksfeste daraus werden. Die Idee des Elbhangfestes von Loschwitz bis Pillnitz entstand hier.
Noch im Herbst 1990 - mit dem Spendenerlös des ersten Benefizkonzert-Sommers - beauftragte der etwa 70 Mitglieder zählende Verein die sächsische Baufirma Berger aus Drebach im Erzgebirge mit der Einrüstung des besonders gefährdeten Dachreiters. Am 13. November war Abnahme von Turmkugel und Wetterfahne. (Details zum weiteren Bauablauf s. "Rettung durch Bürgerinitiative")
Am 12. November 1995 konnte zum 270jährigen Jubiläum der Kirchweihe auch der Abschluß der Restaurierung gefeiert werden. Die Rekonstruktion und Restaurierung der Jehmlich-Orgel erfolgte im Frühjahr 1997 und konnte zum 7. Elbhangfest als Orgelweihe begangen werden.
Seit Anfang 1993 ist der Freistaat Sachsen Eigentümer und Bauherr der Kirche. Damit wurde für den Verein neue Unterstützung wirksam. Nach abgeschlossener Restaurierung erfolgt seit 1996 die Nutzung der Weinbergkirche gemeinsam durch die Interessengemeinschaft, die Evangelisch-Lutherische Kirchgemeinde Hosterwitz-Pillnitz und den Eigentümer-Vertreter, die Staatlichen Schlösser und Gärten Dresden, Schloßbetrieb Pillnitz.
Die Kirche im Weinberg ist geöffnet und wird genutzt
- zur Besichtigung, Information und stillen Einkehr an den Sommer-Wochenenden,
- als Raum für Konzerte, Lesungen, Vorträge, Ausstellungen,
- für Gottesdienste, Hochzeiten und Taufen.